marilyn manson Titel

Marilyn Manson Zwischen Gut und Böse





The moon has now eclipsed the sun
The angel has spread his wings
The time has come for bitter things
The time has come it is quite clear
Our Antichrist is almost here...it is done
(aus: "Antichrist Superstar")

Es gibt Bands, an denen es einfach kein Vorbeikommen gibt. 'Lieb sie oder haß sie', so muß bei solchen Bands der alleingültige Sinnspruch lauten, eine andere Reaktion ist nicht möglich. Marilyn Manson aus den Staaten sind mit Sicherheit zu dieser Kategorie zu zählen. Einerseits ernten sie die pure Liebe ihrer Fans, auf der anderen Seite müssen sie sich mit dem Haß ihrer Kritiker auseinandersetzen. Marilyn Manson revolutionieren mit ihrer Attitüde beileibe nicht das Showgeschäft, setzen mit ihrem Image und ihrer Musik aber die Tradition fort, die Gruppen und Charaktere wie T-Rex, David Bowie, Kiss, Sigue Sigue Sputnik, Laibach oder Rammstein einst begannen und liefern heißen Diskussionsstoff.

Mit ihrem aktuellen Werk "Antichrist Superstar" lösen sie Wellen der Begeisterung bei ihren Anhängern aus und setzen bei Eltern und Kirchenvertretern die Zeichen auf Sturm. Das Wesen Marilyn Mansons artikuliert sich nicht nur über die Musik, sondern macht Coverdesign, Texte und nicht zuletzt das Outfit zu seinen Verbündeten. Wo andere Bands nur Versatzstücke gängiger Klischees adaptieren, da suhlen sich Marilyn Manson mit Wollust in diesem Fundus und kreieren ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk, das gerade ob dieser Fülle den Umkehrspruch erlaubt und Marilyn Manson so plötzlich als autarkes Individuum erscheinen läßt. Marilyn Manson offenbaren sich dem Hörer, als ob sie den morbiden Gedankengängen eines Stephen King entsprungen wären und tun sich als personifizierte Apocalypse kund. Die Geburt des Antichristen ist vollbracht, sein Name lautet Marilyn Manson. Letztendlich verdeutlichen Marilyn Manson aber nur das Gleichgewicht der Welt, dessen Waage der Gegensätzlichkeiten den Ball am Rollen hält. Kein Gut ohne Böse, kein Weiß ohne Schwarz, keine Liebe ohne Haß. Und würde eine Welt funktionieren, wenn es nur Marilyn Monroes und keine Charles Mansons gäbe? "Der Schurke des einen ist des anderen Held", wie trefflich die Aussage im Presse-Info, wenn auch in gewisser Weise ob ihrer Logik pervertiert, aber nicht anders verhält es sich im Falle Marilyn Mansons.


Produziert wurde "Antichrist Superstar" von den Soundmagiern Trent Reznor (Nine Inch Nails) und Dave Ogilvie (Skinny Puppy). Angesichts der Klasse dieses Werkes drängt sich die Geschichte vom Zauberer und seinem Lehrling auf. Marilyn Manson haben sich, dreist wie es ihre Wesensart ist, das Zauberbuch der Meister unter die Nägel gerissen und sich selbst in den Status des Zeremonienmeisters erhoben. Obwohl Marilyn Manson hörbar nicht frei von Einflüßen ihrer Produzenten sind, haben sie sich doch einen Sound zusammengebraut, der unverkennbar nach Marilyn Manson klingt. Aufmerksame Hörer werden durchaus weitere Parallelen zu Bands wie White Zombie oder Ministry ziehen, aber auch nicht verleugnen können, daß die hier dargebotene Soundkonstellation und Image-Konzeption das Siegel Marilyn Mansons trägt. Marilyn Manson (Gesang), Twiggy Ramirez (Bass), Madonna Wayne Gacy (Keyb.), Ginger Fish (Schlagz.) und Zim Zum (Git.) fusionieren nervenzehrende Elektronik, harsche Gitarren, Samples und ein für das Wesen Marilyn Mansons programmatisches, bitterböses, von Sarkasmus geprägtes Vokalorgan des Meister himself zu ihrem ureigenen Manifest. Aufgeteilt in drei Zyklen, offenbart Mr. Manson tiefe Einblicke in sein abstruses Seelenleben.

Mit einer tiefgrollenden Stimme, als spräche der Höllenfürst höchstpersönlich, stellt sich der Sänger dieser extraoridinären Formation mit den Worten "I'm Marilyn Manson" mir vor. Eine Stimme, die einen schauern läßt. Um jegliche Mißverständnisse ob ihres Namens, der nach einer Kombination aus Marilyn Monroe und Charles Manson schreit, auszuschliessen, stelle ich ihm diese Frage. Ein kurzes "Yes" und das Interview nimmt seinen Lauf. Marilyn Monroe steht für die schöne Seite Amerikas, während Charles Manson (ein Massenmörder) die häßliche und gewaltätige Seite Amerikas darstellt. Wie sieht er die schöne und die häßliche Seite im Wesen von Marilyn Manson, so die nächste Frage: "Marilyn Manson ist eine Synthese aus dem Schönen und Häßlichem. Es ist schwer, eine Seite herauszugreifen, es ist eine Kombination aus beidem. Es ist die Art, wie ich die Dinge sehe. Ich betrachte Dinge als hübsch, die andere als häßlich ansehen."

Marilyn Manson schreit geradezu nach Provokation, mehr als vordergründig nach musikalischem Ausdruck. Worin ihre/seine Hauptidee bei der Bandgründung lag, beschreibt Mr. Manson folgendermaßen: " Es ist eine Kombination aus beidem. Ich wollte mit Furcht experementieren, Grenzen antesten. Ich wollte mit Extremen experementieren. Auf diese Weise habe ich eine Menge Dinge ausgedrückt, die ich zu sagen hatte und dadurch erhielt ich natürlich eine Reaktion der Leute."

Das neue Album enthält drei Zyklen, es hat den Anschein, daß "Antichrist Superstar" ein Konzept-Album ist. Mr. Manson schildert nun in seinen eigenen Worten den Inhalt: "Das Album ist meine Autobiographie, vom Anfang bis zum Ende, obwohl ich das Ende bis jetzt noch nicht wirklich erreicht habe. Es ist für mich die Suche nach persönlicher Stärke. Es handelt davon, den eigenen Tod zu sehen, Zweifel an der Religion zu haben, Kontrolle über Drogen zu gewinnen und den anderen Problemen, denen du dich als Rockband stellen mußt. Es handelt davon, wie man mit Starruhm in Amerika umgeht und letztendlich geht es um Individualität und darum, in Kontrolle deiner selbst zu sein." Seine Inspirationsquelle beschreibt Mr. Manson folgendermaßen: "Ich schreibe über alles, daß ich um mich herum sehe. Das neue Album entstand aus meinen Träumen aus den letzten fünf Jahren."

Produziert wurde "Antichrist Superstar", wie bereits erwähnt, u.a. von Trent Reznor. Mr. Manson schildert, wie es dazu kam: "Trent nahm uns schon vor Jahren bei seinem Label Nothing unter Vertrag. Wir sind schon lange Freunde und entschlossen uns, zusammenzuarbeiten." Ob es ein leichtes Unterfangen war oder ob Trent versuchte, Einfluß zu nehmen? Mr. Manson berichtet: "Manchmal war es schwierig. Wir versuchen immer, die musikalische Identität von Marilyn Manson zu halten, ohne zuviele Meinungen von außerhalb hineinzustecken. Aber zur gleichen Zeit waren wir auf diesem Album sehr offen und experimentell, so daß wir das Beste herausarbeiteten."

Der Stil Marilyn Mansons sowie die Bilder im Booklet werden nicht gerade den Geschmack 'gewöhnlicher' Leute befriedigen. Gab es aus diesem Grund schon Probleme mit Eltern, Politikern oder der Kirche? Versuchten sie, Marilyn Manson zu zensieren? "Sie haben es von Beginn an versucht, aber das ist ein Teil von Marilyn Manson, dort besteht ein Bedarf an Reaktion. Wir repräsentieren eine Seite, derer sie nicht willens sind, sie zu akzeptieren. Aber sie haben die selbe Seite in sich und das ist es, worüber sie sich am meisten fürchten, darüber, daß sie nicht anders als wir sind."

Wie sieht es mit den Kindern aus? Steht nicht zu befürchten, daß diese Alpträume erleiden, sollten sie jemals mit Marilyn Manson in Kontakt geraten? Mit einem Lachen auf den Lippen, ob dieser Frage, antwortet er: "Wenn ihre Eltern sie intelligent genug erzogen haben, dann brauchen sie sich nicht vor uns zu fürchten."

Das Debut-Album Marilyn Mansons war mit "Portrait Of An American Family" betitelt und auch ansonsten sind ihre Songs mit Amerikanismen gespickt .Wie sähe es mit der Existenz der Band Marilyn Manson aus, wenn sie in einem anderen Land als Amerika beheimatet wäre? "Wahrscheinlich gäbe es uns nicht", bestätigt Mr. Manson. "Amerika ist die Heimat Marilyn Mansons, denn Personen wie Marilyn Monroe und Charles Manson sind sehr amerikanisch. In manch anderen Ländern machen diese Namen wahrscheinlich gar keinen Sinn. Oft betrachte ich mir Amerika vom Standpunkt eines Außenstehenden, denn wenn du hier lebst, dann nimmst du dir nicht die Zeit, die von Religion und Politik betriebene Heuchelei zur Kenntnis zu nehmen. Wie auch immer, ich beobachte, beschwere mich und mache meine Aussagen darüber, daß Amerika zur gleichen Zeit ein schlechter und ein großartiger Platz ist."

Sieht er sich selbst als bösen Märchenonkel? "Ich glaube, so sieht Amerika mich", antwortet Mr. Manson. "Ich sehe mich als jemanden, der das macht, was er machen möchte und sagt, was er sagen möchte, auf seine eigene Art und Weise. Ich kann mich oft auf den Charakter des gefallenen Engel in der Bibel, die Geschichte von Lucifer, beziehen, denn ich fühle, daß das, was ich mache, richtig ist, nur das der Rest der Welt es nicht so sieht." Lucifer wurde von Gott verdammt und aus dem Himmel verbannt. In der Hölle errichtete er daraufhin sein Reich, das Reich des Antichristen. "Antichrist Superstar", so auch der Titel des neuen Marilyn-Manson-Longplayers. Befürchtet Mr. Manson nicht, eines Tages von einer höheren Macht für diese Blasphemie bestraft zu werden? Mit den Worten: "Ich glaube, daß die einzige höhere Macht, der du jemals antworten mußt, du selbst bist", verneint er. Also ist er auch keine religiöse Person? "Ich wurde als Christ erzogen, aber als ich älter wurde, begann ich, meine eigenen Werte zu entwickeln. Ich las eine Menge Philosphen, von Nietzsche über Freud und Darwin zu Aleister Crowley und ich wurde in dem Glauben bestärkt, daß man selbst für sein Schicksal verantwortlich ist. Ich glaube, daß es eine höhere Macht der Natur oder eine übernatürliche Macht gibt, aber ich glaube nicht daran, daß man sie zwangsläufig anbeten muß."

Das Outfit Marilyn Mansons bekäme auch ein Maskenbildner des Horrorfilm-Genre nicht besser hin. Ist das nur ein Show-Image oder lebt er so auch privat? "Gewöhnlich lebe ich auch privat so", sagt Mr. Manson, räumt aber ein: "Es gibt eine Zeit und einen Platz für alles. Ich ziehe mich nicht so wie auf der Bühne an, wenn ich zum Dinner gehe, aber es gibt verschiedene Aspekte meines Aussehens, die ich nicht ändern kann, wie z.B. meinen Körper, mein Gesicht, meine Narben und meine Tatoos." Jeder, der sein Outfit schon einmal von gängigen Normen abweichend entworfen hat, kennt die entsetzten Reaktionen der Eltern. Mr. Manson ist in seiner Erscheinungsweise ein besonders krasses Objekt, wie stehen seine Eltern dazu? "Sie sind Fans", so die knappe und sicherlich auch etwas überraschende Antwort seinerseits. Aber die größte Überraschung lieferte er auf die Frage, ob er Horrorfilme mag: "Manchmal." Aber jetzt kommt's: "Ich bin ein großer Fan von Kinderfilmen, wie 'Willy Walker' oder 'Chilly Chilly Bang Bang', aber auch von David Lynch." Alle Achtung, der Kinderschreck als Liebhaber von Kinderfilmen, es geschehen noch Zeichen und Wunder.

Auch wenn "Antichrist Superstar" den einen oder anderen Tanzflächenfeger hervorbringen wird, so haben Marilyn Manson gerade mit der Eurythmics-Coverversion von "Sweet Dreams" die Tanzflächen erobert. Wie es zur Idee dieser abgrundtief-bösen Interpretation kam, schildert abschließend Mr. Manson: "Ich finde den Text sehr kraftvoll, in der Weise, wie dort auf Beziehungen eingegangen wird. Wir machten den Song, indem wir uns wirklich auf die Worte einstellten. Für mich ist es ein sehr dunkles Liebeslied."

Schließen möchte ich mit Marilyn Mansons eigenen Worten, wie sie sie auf der CD "Portrait Of An American Family" abdruckten: "You Cannot Sedate All The Things You Hate". In diesem Sinne!

Von
Frank Rummeleit, Veröffentlicht: Zillo Dez. 96/Jan. 97

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