Männer,
die in Frauenkleidern auf der Bühne herumturnen, erregen
beim Publikum zumeist eher Heiterkeit - nicht so Amerikas
neuestes Schock-Quartett MARILYN MANSON, das mit
bibelfester Apokalypsenbeschwörung tief im Bodensatz der
lethargischen TV-Gesellschaft wühlt und bei Konzerten
eine wahre Horrorshow veranstaltet.
Trent Reznor, vielbeschäftigter Industrial-Pabst,
entdeckte die Band aus Florida vor einigen Jahren,
erkannte das Potential des Sängers und Namensgebers
Marilyn und bot sowohl seine Dienste als Produzent als
auch einen sicheren Hafen im Schoße seines
"Nothing"-Labels an. Während jedoch das zweite
Album "Smells Like Children", veröffentlicht
im Winter letzten Jahres, noch an reichlich
unausgegorener Ausführung krankte, präsentierten
MARILYN MANSON mit ihrem neuen Werk "Antichrist
Superstar" ein mehr als gelungenes Statement. Die
Band, deren Name sich aus weiblichen US-Ikonen und
Serienkillern zusammensetzt (Marilyn Monroe/Charles
Manson), überzeugt mit enervierendem Hardcore-Sound und
eindeutigen Industrialeinflüssen der Marke NINE INCH
NAILS. Dazu die düster-selbstquälerischen Texte
Mansons, vorgetragen mit schmierig-kreischender Stimme -
fertig ist das perfekte Portrait zeitgenössischer
Häßlichkeit.
Der Reiz MARILYN MANSONs liegt jedoch vor allem im
Optischen, wo sich die Protagonisten nach bester
Splattermovie-Manier in oben erwähnte (zerfetzte)
Frauenkleider gewanden und dabei mitsamt bleicher Visage
und ungelenker Gestik selbst ALICE COOPER zur Parodie
werden lassen. Von seiner Kanzel herunter predigt Manson
als selbsternannter Antichrist seine eigene Religion,
deren Gefolge, zumindest in Amerika, stetig wächst.
"In meiner Kindheit habe ich mich gefühlt wie ein
Wurm, ausgestoßen und unbeachtet von der
Außenwelt", erklärt der 27jährige. "Was
jetzt passiert, ist mein Aufstieg zum Rollenmodell, zur
Ikone, zum Superstar, wenngleich ich weiß, daß der
Erfolg nur temporär sein kann, wenn man davon ausgeht,
daß alles in dem Moment, in dem es beginnt, schon zum
Sterben verdammt ist. So ist die bittere Ironie des
Lebens."
Mit diesem Wahlspruch
bewaffnet, macht sich Manson auf, die von der
Gleichschaltung bedrohten Teenies der Welt aus dem Schlaf
zu rütteln. "Es macht mir nichts aus, von den Fans
kopiert zu werden, das befriedigt meinen eigenen Drang
nach Ruhm und Glamour, während sie aus dem Trott
ausbrechen, um schließlich ihre eigene Individualität
zu finden. Die Intensität und Gewalt, mit der wir
vorgehen, ist nur bedingt durch die fortschreitende
Reizüberflutung - im Grunde rebellieren wir gegen
dieselben Dinge wie damals die BEATLES und die STONES,
nur daß es nicht mehr ausreicht, lange Haare zu haben
und Pot zu rauchen, um die Gesellschaft zu
schocken." So transportieren MARILYN MANSON den
glamourösen Geist von KISS, BOWIE und COOPER in die
Neunziger und fügen, ganz gemäß dem Zeitgeist, eine
Atmosphäre aus Beklemmung und Apokalypse hinzu. Wichtig,
aber mit Sicherheit nichts für Berufsparanoiker und
psychisch Labile ...
Von Andreas Borcholte, http://planetsound.com
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